Mit seiner Tragikomödie „Anora“ hat der US-amerikanische Regisseur Sean Baker (53) die Goldene Palme der Filmfestspiele von Cannes gewonnen. Das gab die Jury am Samstagabend bekannt. Der Film, der von einer selbstbewussten Striptease-Tänzerin in New York erzählt, setzte sich gegen 21 andere Wettbewerbsfilme durch. Entschieden hat eine Jury unter dem Vorsitz der Regisseurin Greta Gerwig.
Die Jury zeichne mit „Anora“ einen „unglaublich menschlichen Film“ aus, sagte Gerwig. Es sei ein Film, „der unsere Herzen erobert hat, der uns lachen ließ, der uns unendlich hoffen ließ, der uns das Herz brach und dabei nie die Wahrheit aus den Augen verlor.“
Temporeich und mit viel Witz
„Anora“ handelt von der Striptease-Tänzerin Ani, die in New York einen russischen Oligarchen-Sohn namens Vanya kennenlernt. In jugendlicher Sorglosigkeit heiratet der Junge Ani nach nur wenigen Tagen – zum großen Missfallen seiner Eltern, die alles in Bewegung setzen, um das wieder rückgängig zu machen.
Im Zentrum steht jedoch Ani (Mikey Madison), die selbstbewusst ihre Ziele verfolgt. Der temporeiche Film überzeugt durch tolle Schauspielerinnen und Schauspieler, unerwartete Wendungen und viel Witz.
Baker widmete den Film am Samstagabend „allen Sexarbeiterinnen“. Er hoffe, seine Filme trügen dazu bei, das Stigma von Sexarbeit abzubauen. Auf der Bühne sagte der 53-Jährige über seine Auszeichnung: „Das ist buchstäblich mein einziges Ziel als Filmemacher in den letzten 30 Jahren gewesen. Ich bin mir also nicht sicher, was ich mit dem Rest meines Lebens anfangen werde.“
Spezialpreis für geflüchteten Iraner Mohammed Rassulof
Einen Spezialpreis der Jury erhielt der iranische Regisseur Mohammed Rassulof für „The Seed of the Sacred Fig“. Der größte Triumph daran war wohl, dass er seine Auszeichnung persönlich entgegennehmen konnte.
Rassulof war kürzlich zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt worden. Vor wenigen Tagen war er aus dem Iran nach Deutschland geflüchtet, am Freitag kam er zur Premiere seines Films nach Cannes. Während die iranischen Behörden die Veröffentlichung seines neuen Films unbedingt verhindern wollten, wurde Rassulof in Cannes dafür bejubelt.
Der Film spielt im Herbst 2022, als der Tod der iranischen Kurdin Jina Mahsa Amini massive Proteste im Iran auslöste. Im Zentrum steht eine Familie, deren Mitglieder ganz unterschiedlich auf die Proteste reagieren.
Indische Regisseurin gewinnt zweitwichtigsten Preis
Der Große Preis der Jury, die zweitwichtigste Auszeichnung des Festivals, ging an „All We Imagine as Light“ von der indischen Regisseurin Payal Kapadia. Der Film der 38-Jährigen folgt mehreren Frauen in Mumbai.
Der Franzose Jacques Audiard erhielt den Preis der Jury für „Emilia Pérez“. Das Musical erzählt von einem mexikanischen Kartellboss, der sein Geschlecht zur Frau angleichen lässt und anschließend versucht, frühere Verbrechen zu sühnen.
Vier Frauen teilen sich Preis als beste Darstellerinnen
Den Preis als beste Darstellerin teilen sich dieses Jahr vier Frauen: Er ging an die Schauspielerinnen Karla Sofía Gascón, Zoe Saldana, Selena Gomez und Adriana Paz für ihre Rollen in „Emilia Pérez“. Gascón ist die erste Transfrau, die die Auszeichnung erhält. „Dieser Preis ist nicht nur für mich, sondern für alle Menschen, die für sich selbst und ihre Rechte kämpfen“, sagte die 52-Jährige.
Als bester Schauspieler wurde Jesse Plemons für seine Rolle in „Kinds of Kindness“ von Giorgos Lanthimos ausgezeichnet. Miguel Gomes gewann für „Grand Tour“ den Preis für die beste Regie.
Für das beste Drehbuch wurde Coralie Fargeat mit „The Substance“ geehrt. Ihr Body-Horrorfilm mit Demi Moore in der Hauptrolle handelt von den verheerenden Auswirkungen, die Schönheitswahn haben kann.
Ehrenpalme an George Lucas
„Star Wars“-Schöpfer George Lucas wurde mit einer Goldenen Ehrenpalme ausgezeichnet. Auf der Bühne hielt ein alter Freund und weiterer Kino-Altmeister die Laudatio: Francis Ford Coppola, dessen neuer Film im Wettbewerb der Filmfestspiele lief.
Nicht nur er selbst und Lucas’ viele Freunde, sondern die ganze Welt sei stolz, ihn zu ehren, sagte Coppola. Lucas nannte Coppola wiederum „einen großen Freund, einen Bruder und einen Mentor“.
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